Erdställe im Gasthaus Wösner

Erdställe im Gasthaus Wösner


Vom Keller des Hauses steigt man durch eine Bodenöffnung in die „Unterwelt“ ein. Die ersten Meter des Ganges sind mit schönen Quadersteinen ausgemauert. Nach 4,5 m erreicht man einen Quergang, der an der nördlichen Stirnseite drei kleeblattförmig angeordnete Sitznischen besitzt, die jedoch großteils vom Einfüllmaterial verdeckt sind. Das südwestliche Ende des Querganges wird von einem verfüllten Bauhilfsschacht gebildet, der auch mit dem um eine Etage höher liegenden Gangabschnitt in Verbindung steht.

Ein abzweigender Gang biegt nach 1,5 m im rechten Winkel nach rechts um und verringert seine Höhe auf 0,70 m, sodass man auf allen vieren weiterkriechen muss. Umso erstaunter ist man dann, wenn man die kreisrunde Schlupfröhre erreicht hat, die von der Gangsohle bis zur Gangdecke der oberen Etage einen Niveauunterschied von 2,7 m überwindet. Um nach oben zu gelangen, kann man die eingehauenen Trittnischen zu Hilfe nehmen.

In der oberen Etage finden sich im südlichen Seitengang wieder zwei Sitznischen. Der Hauptgang besitzt im nördlichen Teil den schon erwähnten verfüllten Bauhilfsschacht. Das südliche Gangende ist T-förmig ausgebildet, die beiden hier ausgebildeten Sitznischen ermöglichen ein halbwegs bequemes Verweilen.
Bemerkungen

Die überaus hohe Schlupfröhre beweist, daß die Erbauer dieses Erdstalls sicher keine kleinwüchsigen Personen waren.
Es scheint, als sei diese Anlage halbwegs im ursprünglichen Zustand erhalten. Ungeklärt ist allerdings die große Menge von Einfüllmaterial, das in der tieferen Etage eine Mächtigkeit von 40 cm erreicht.
Insgesamt 8 Sitznischen trifft man in diesem 25,3 m langen Erdstall.


Im Warteraum der Seelen

Unterirdische Anlagen aus dem Mittelalter in Münzkirchen


Dunkel und voller Rätsel gestaltet sich die Geschichte der sogenannten „Erdställe“, die in mehreren Ländern Europas nachzuweisen sind. Es sind dies unterirdisch gegrabene Anlagen,    deren Entstehungszeit auf die Zeit von 800 bis 1250 n. Chr. zurückgeht.

Auch im Gasthof Wösner in Münzkirchen kann man einen unterirdischen Gang von 25,3 m Länge und 70 bis 90 cm Höhe bekriechen. Diese Anlage hat 8 Sitznischen und ein vertikales Schlupfloch, das in eine höhere Etage führt, in der man auch verweilen kann.


Benedikt Pillwein schreibt in seiner Topographie von 1843, dass dieser Erdstall bereits 1826 bei einem Kelleraushub entdeckt wurde. Der Benediktinerpater Lambert Karner hat 1899 einen Plan dieses Erdstalls veröffentlicht, 1903 folgte eine ausführliche Beschreibung in seinem Werk „Künstliche Höhlen aus alter Zeit“.


In der Marktgemeinde gab es mehrere solche Gänge, die zwar dokumentiert wurden, aber heute nicht mehr existieren.

Lediglich die Erdstallanlage beim Bauer in Hof kann noch besichtigt werden. Sie besteht aus drei Kammern, die untereinander mit horizontalen Schlupflöchern verbunden sind.


Wer Geschichte hautnah erleben will, kann unter Führung von Altbürgermeister Konsulent Johann Höller den Gang beim Gasthof Wösner erkunden. Seit den 80iger Jahren führt er Schüler und Erwachsene. Mit Helm, Stirnlampe und Overall, die der Gastwirt zur Verfügung stellt, geht es ab in die Unterwelt. Damit auch Besucher, die nicht durch das verhältnismäßig enge Schlupfloch nach oben können, hat Höller einen Bauhilfsschacht freigelegt, der den hinteren Teil des Ganges leichter erreichen lässt.

Dabei kann man auch mehr von den Theorien über Entstehung dieser Erdstollen, die in mühsamer Handarbeit in den harten Untergrund gehauen wurden, erfahren. 


Die Vermutungen über den Zweck dieser Anlagen liegen oft weit auseinander. Manche Erdstallforscher sehen eher Fluchtgänge oder Verstecke aus der Zeit des Mittelalters, die eine kürzere Verweildauer während eines Überfalles zuließen. Die Enge der Gänge, das Fehlen von Funden wie Essensresten oder Hausrat und das mögliche Ausräuchern bei einem fehlenden zweiten Ausgang sprechen aber wieder gegen diese Theorie.

Als Mitglied des IGEF, der „Interessensgemeinschaft der bayrischen Erdstallforscher“, weiß Höller über Denkansätze der Forscher im Kult- und transzendenten Bereich zu berichten.

Da der Bau dieser Gänge in den Besiedelungszeitraum fällt, ist es denkbar, dass man den Seelen der zurückgelassenen Toten eine Stätte erbaut hat, um sie bei sich zu haben. 

Wieder andere vermuten, dass hier die Seelen der Angehörigen nach dem Tod auf das Jüngste Gericht warten, zumal auch Kirchenväter der ersten nachchristlichen Jahrhunderte von unterirdischen Seelenkammern gesprochen haben. Mit der neuen Lehre vom Fegefeuer im 13. Jahrhundert endet nämlich der Bau von solchen Anlagen.

Vielleicht löst ein Zufallsfund in einem historischen Bericht einmal dieses Rätsel.


Der Erdstall beim Wösner wurde in der Vergangenheit mehrmals für Rundfunksendungen besichtigt und für Fernsehdokumentationen gefilmt. Auch Anfang Oktober 2020 hat ein bayrisches Filmteam diesen Gang dokumentiert und mit Leuten in historischen Kostümen verschiedene Aspekte über den Sinn und Zweck der Erdställe beleuchtet.


Die unterirdischen Anlage beim Wösner und die Dreikammeranlage beim Bauer in Hof, die auch auf diese Zeit zurückzuführen ist, sind die beeindruckendsten historischen Denkmäler, die Münzkirchen neben dem signierten Gefechtsfeld vom Gefecht bei Eisenbirn im Jahre 1703 sowie einem dazugehörigen Diorama besitzt.

Die barocke Pfarrkirche mit der Einrichtung im Stile des Rokoko und die ehemalige Pestkirche St. Sebastian gehören zu den weiteren historischen Sehenswürdigkeiten dieses Ortes.    


Anmeldung zu Führungen im Erdstall Wösner bei Alexander Wösner, 07716/7240 oder 

Johann Höller, 0676 7052254. Körperliche Gesundheit wird vorausgesetzt.


                                                                                                   OÖNachrichten, August 2020


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